Neue OZ: Kommentar zu Gauck / Präsidentenkandidatur

Gute Chancen

Nun also doch: Mit Joachim Gauck steht ein respektabler Kandidat
für das Amt des Präsidenten bereit. Vorausgegangen war seiner Kür am
Wochenende ein abschreckendes Schauspiel, das vorübergehend wie eine
Nachfolgersuche für „Wetten, dass..?“ wirkte.

Das Ergebnis bedeutet einen Gesichtsverlust für Angela Merkel, die
den einstigen Gegenkandidaten zu Christian Wulff verhindern wollte.
Dass ihr dies nicht gelang, sollte nicht überbewertet werden. Am Ende
stand, gerade noch rechtzeitig, die Einigung. Dass die Kanzlerin
nachgab, entspricht ihrem pragmatischen Stil: Ihre Ablehnung hätte
niemand verstanden und wäre Keimzelle latenter Unzufriedenheit mit
jedem anderen Kandidaten gewesen.

Das Präsidentenamt hat inzwischen auch genug gelitten – nicht nur
unter dem Fall Wulff. Vielmehr liegt seine Schwäche teils in einem
Geburtsfehler begründet. Es wirft die Frage auf, warum ein weitgehend
machtloser Mensch mit Heiligennimbus respektiert werden sollte, wenn
Anspruch und Wirklichkeit doch in persönlicher wie politischer
Hinsicht geradezu zwangsläufig auseinanderklaffen, unabhängig vom
jeweiligen Inhaber.

Gauck hat nun die Chance dazu, das Gegenteil zu beweisen –
vielleicht sogar die beste, die es je gab. Er wird parteiübergreifend
gestützt, hat eine glaubhafte Biografie und genießt in der
Bevölkerung hohes Ansehen. Parteipolitisch ist er absolut unabhängig.
Zugleich trifft er auf die Sehnsucht nach einem allseits geachteten
Präsidenten. Wer seinen Weg kennt, weiß aber: Bequem wird Gauck es
Deutschland nicht machen.

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