Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar 10. Jahrestag des Starts der Bologna-Studienreform Erfolg sieht anders aus BERNHARD HÄNEL

Der Bologna-Prozess hat das Studium an den
Hochschulen in den letzten zehn Jahren gründlich verändert. Doch
gemessen an den Zielen bleibt noch viel zu tun. So richtig glücklich
mit dem Resultat ist niemand. Die Ausgangslage war schlecht und ist
es bis heute geblieben. Deutschlands Hochschulen sind hoffnungsvoll
überfüllt und chronisch unterfinanziert. Seit Jahrzehnten wird
Überlast gefahren. Es fehlt an Studienplätzen. Die Hochschuletats
wurden höchst unzureichend dem gewollten Bildungsboom angepasst. Drei
Hauptziele verfolgten die europäischen Bildungsminister mit dem im
italienischen Bologna unterzeichneten Vertrag: die Förderung von
Mobilität, von internationaler Wettbewerbsfähigkeit und von
Beschäftigungsfähigkeit. Ziele, die jeder unterschreiben kann, deren
Umsetzung jedoch den Schweiß der Edlen herausforderte und für
Verdruss bei Hochschullehrern, Studierenden, Wirtschaft und
Politikern sorgte. Mindestens 20 Prozent der Studierenden in Europa
sollen einen Auslandsaufenthalt absolvieren. Davon sind wir noch weit
entfernt, sonst hätten Europas Wissenschaftsminister nicht Ende April
eine „Mobilitätsstrategie 2020“ beschlossen. Viele Hürden, so deren
realistische Erkenntnis, sind so hoch wie eh und je. Geradezu hilflos
klingt da der Appell, die Hochschulen sollten die im Ausland
erworbenen Studienleistungen „fair“ anerkennen. Für Aussagen über die
Wettbewerbsfähigkeit der Studierenden sowie der Hochschulen auf der
europäischen und der internationalen Bühne ist es noch zu früh.
Zumindest gibt es Anzeichen dafür, dass deutsche Spitzenkräfte im
Ausland den Weg zurück nach Deutschland erwägen – wenn denn die
finanziellen Rahmenbedingungen stimmen. Ob die
Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden mit der Bologna-Reform
tatsächlich verbessert wurde, bleibt Ansichtssache. Natürlich nimmt
die Wirtschaft den Hochschulen ihre Bachelor-Absolventen ab. Ob sie
damit immer glücklich ist, steht dahin. Denn durch die
Studienzeitverkürzung mag zwar viel Wissen in wesentlich kürzerer
Zeit den Studierenden eingetrichtert worden sein, aber Ausbildung ist
noch nicht gleich Bildung. Formal erfüllen inzwischen die meisten
Studierenden die Anforderungen, so sie denn durchhalten. Doch bei der
Jagd nach den vorgeschriebenen Creditpoints bleibt keine Zeit für
Bildung, also für Reflexion und den Blick über den Tellerrand. Und
die Abbrecherquote hat erschreckende Ausmaße angenommen. Von denen,
die durchhalten, wollen etwa 80 Prozent den höherwertigen
Masterabschluss machen. Die Zahl der Studienplätze reicht dafür aber
nicht aus. Stichwort Unterfinanzierung. Erfolgsgeschichten sehen
anders aus. Es gibt noch viele Baustellen. Die Reform war aber
dennoch notwendig. Und angesichts der weit über tausendjährigen
Geschichte vieler europäischer Universitäten sind zehn Jahre ein
Klacks. Für die Studierenden ist dies allerdings kein Trost.

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