Auch die neue Große Koalition ist eine pragmatische
Koalition. Das ist nicht das Schlechteste, das man von einer
Regierung sagen kann. Immerhin haben die Beteiligten gemeinsam aus
der letzten Wahl gelernt, dass die Menschen in Deutschland
ausreichend verunsichert sind, den vermeintlich gestandenen Parteien
deutlich ihr Misstrauen zu erklären, wenn sie die Nase voll haben.
Die Folge sitzt ihnen in Gestalt der AfD im Bundestag gegenüber. So
sind einige Vorhaben im Regierungsprogramm als Versuche zur Milderung
sozialer Missstände zu werten, auch wenn sie diese nicht beseitigen
werden. Eine Art Bestätigung, dass die Koalition durch soziale
Investitionen von sich überzeugen will, liefert FDP-Chef Lindner mit
seinem Vorwurf, sie setze Geld als Schmiermittel ihrer Kooperation
ein.
Das ist eine Kritik, die man wirklich nicht teilen muss. Lindner
verlangt eine Abkehr von staatlicher Verantwortung. Das Problem
dieses Koalitionsvertrages ist vielmehr, dass er keines der
identifizierten sozialen Probleme lösen wird. Und manche Probleme
unterbelichtet bleiben – Stichwort Klima. Menschen jedenfalls, die
in Armut leben, Flüchtlinge und ihre Angehörigen, Pflegebedürftige
oder chronisch Kranke ohne den nötigen finanziellen Rückhalt werden
den beschworenen sozialen Anstrich des Vertrags kaum bemerken, nicht
einmal als Mäntelchen – so wenig wie des Kaisers neue Kleider. Ob die
Zeiten sozialer werden, kann man messen. Zum Beispiel an der Länge
der Schlangen, die sich an den Tafeln bilden. Oder den
Kleiderkammern.
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