Es ist eine alte Tatsache, dass im Vergleich zum
Westen in Ostdeutschland weniger Betriebe tarifgebunden sind und die
Zahl der Gewerkschaftsmitglieder unter den Beschäftigten erheblich
geringer ist. Beides hängt miteinander zusammen und gehört wiederum
zu den Ursachen für die anhaltende Spaltung am Arbeitsmarkt, die sich
unter anderem in längeren Arbeitszeiten und geringeren Einkommen
ausdrückt. Es ist richtig, sich mit dieser Ungleichheit der
Lebensverhältnisse nicht abzufinden und die Bundesregierung in die
Verantwortung zu nehmen. Aber sind die Ossis nicht auch ein bisschen
selber schuld? Wer hindert sie denn daran, sich einer Gewerkschaft
anzuschließen? Das würde auf jeden Fall helfen.
Doch so einfach ist es nicht. In Ostdeutschland sind alle
Strukturmerkmale, die auch im Westen zu »weißen Flecken« führen,
besonders ausgeprägt: Die Wirtschaft basiert auf kleinen und
mittleren Betrieben vor allem im Dienstleistungssektor. Große
Industrieunternehmen, in denen Gewerkschaften traditionell stark
sind, fehlen weitgehend, dafür gibt es umso mehr prekäre Jobs. Bei
den Älteren spielt die Delegitimierung von Gewerkschaften durch ihre
Indienstnahme in der DDR eine Rolle ebenso wie die Erfahrung von
Machtlosigkeit angesichts des Kahlschlags der Ost-Wirtschaft nach der
Wende.
Das alles sind Erklärungen. Und doch, all das ändert nichts daran.
Schwierig hin oder her: Am Ende führt nichts daran vorbei, dass sich
die Ostdeutschen gewerkschaftlich organisieren und für ihre
Interessen kämpfen.
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