Schwäbische Zeitung: Zuversicht und Verantwortung – Leitartikel

Welch eine Überraschung! Wir erlebten und
erleben Geschichte. In den vergangenen Monaten, wie in den kommenden
Wochen. Zunächst tritt ein Papst aus Gesundheitsgründen von seinem
Amt zurück, dann wird in kurzer Zeit ein Konklave organisiert, und
anschließend wählen die 115 Kardinäle erstmals einen Argentinier zum
Oberhaupt der katholischen Kirche.

Für das zerrissene Südamerika ist dieses Votum Hoffnung und
Ermunterung zugleich. Der Subkontinent sucht seit Jahrzehnten nach
seiner Rolle in der Welt. Bislang sind es eher die inkompetenten
Regierungen, die negativ von sich reden machen, obwohl die Sorgen und
Nöte der Menschen dort mit Händen zu greifen sind. Der neue Papst aus
Argentinien steht deshalb vor gewaltigen Herausforderungen. So gehen
die Bedürfnisse und Wünsche der Gläubigen in Europa, Lateinamerika
und Afrika weit auseinander. Was auf Katholikentagen in Deutschland
intensiv und mit großem Engagement diskutiert wird, spielt etwa im
größten katholischen Land der Welt – in Brasilien – keine besondere
Rolle. Fortschritte in der Ökumene, mehr Möglichkeiten für Frauen
oder auch der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sind für
Lateinamerikaner eher zweitrangige Probleme. In Lateinamerika und in
Afrika setzen evangelische Freikirchen der katholischen Kirche zu,
und vorrangige Themen dort sind die Armutsbekämpfung, die
Gesundheitsversorgung und der Schutz vor Gewalt. Was für
Lateinamerika gilt, das gilt für Afrika in einem noch größeren Maß.
Auf diesen zwei Kontinenten erwarten die Gläubigen noch mehr Nähe und
praktische Hilfe des Papstes. In einer solchen Situation die Einheit
der Kirche weltweit zu wahren, ist eine große Aufgabe.

Kardinal Jorge Mario Bergoglio weiß all das, er hat die
Auseinandersetzung mit diversen argentinischen Regierungen nicht
gescheut. Viele Südamerikaner werden jetzt Zuversicht schöpfen und
auf einen Wandel in ihren Gesellschaften hoffen. Welch eine
Verantwortung für einen einzelnen Mann!

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