Man könnte es Mut nennen und den Ausstiegsbeschluss
als eindrucksvollen Beweis von Handlungsfähigkeit. Man könnte sogar
unter Lernfähigkeit verbuchen, dass Schwarz-Gelb nach Fukushima seine
sieben Monate alten Beschlüsse zum Ausstieg aus dem Ausstieg kassiert
und sich mit Vollgas in die Kurve Richtung Energiewende legt. Das ist
der Spiegel, in dem sich Merkel & Co gerne sehen würden.
Doch zunächst einmal hat die Bundesregierung in der Wirtschaft einen
enormen Vertrauensschaden produziert. Die Bundeskanzlerin hat ohne
Rechtsgrundlage blank gezogen und sieben Altmeiler abgeschaltet, weil
sie vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg Punkte sammeln wollte.
Sie hat die Sorgen und Ängste der Deutschen zum Maßstab für Politik
gemacht, obschon sich das Risiko der Atomenergie durch Fukushima
keinen Deut verändert hat. Verlässlichkeit geht anders. Aber was
soll–s: Die Kanzlerin kann sich auf das Primat der Politik berufen,
und sie wird darauf setzen, dass die Geschichte auch über diese Volte
hinweggeht. Das Risiko ist aber enorm. Politisch wie ökonomisch. Denn
der Schnellausstieg erfordert dringend den Ausbau der Stromnetze
ebenso wie Investitionen in erneuerbare Energien und Gas-Kraftwerke,
die nun zügiger zu stemmen sind als geplant. Das schlägt nicht nur
auf die Preise der privaten Stromkunden durch. Stahl-, Alu- oder
Chemieunternehmen gerade in NRW bangen um ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Die Deutschen reagieren sehr empfindlich auf hohe Energiepreise: Ende
2007 war ihnen das Energiethema laut Allensbach sogar wichtiger als
die Rente. Das könnte sich durchaus wiederholen. Und dann? Will–s die
Bundesregierung nicht gewesen sein.
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