Der Historiker Peter Brandt (63), Sohn des früheren
Bundeskanzlers und SPD-Politikers Willy Brandt, hat der politischen
Linken in Europa vorgeworfen, sie habe versagt. „Der
Rechtsradikalismus hat in vielen Ländern Europas eine neue Funktion.
In ihm äußert sich auch sozialer Protest“, sagte Brandt den Zeitungen
der WAZ-Mediengruppe (Samstagsausgabe). „Vielfach gelten
Sozialdemokraten und Linke in der Unterschicht inzwischen eher als
etabliert. Sie gelten als Teil des Establishments, und das ist fatal.
Der soziale Protest artikuliert sich heute vielfach ultra-rechts. Das
ist ein Versagen der politischen Linken. Sie spricht nicht mehr die
Sprache der Schwächeren und findet nicht mehr den Zugang zu ihnen“,
erklärte Brandt, der an der Fern-Universität Hagen Neuere Deutsche
und Europäische Geschichte lehrt. Brandt ist SPD-Mitglied.
Brandt sprach sich im WAZ-Interview zudem für einen Kurswechsel in
der Europapolitik aus. „Das europäische Projekt braucht eine
Richtungsänderung hin zur Festigung statt zum Abbau des Sozialstaats
und zur Regulierung des Marktes, insbesondere des Finanzmarkts“, so
Brandt.
Peter Brandt erinnert sich in dem WAZ-Interview auch an seine
Kindheit, etwa die Zeit nach dem Mauerbau, als Willy Brandt
Regierender Bürgermeister von Berlin war: „Mein Vater war nicht
ängstlich. Ein Jahr nach dem Mauerbau spitzte sich die Lage noch
einmal extrem zu. Damals verblutete der junge Flüchtling Peter
Fechter im Todesstreifen. Das Ereignis heizte die Stimmung unheimlich
an, auch bei uns zu Hause. Da habe ich meinen Vater sehr zornig
erlebt.“ Am 8. Oktober jährt sich zum 20. Mal der Todestag Willy
Brandts. Er habe seinen Vater „wirklich als Vater erlebt“, so
Brandt. „Er war zwar wenig zu Hause. Aber ich hatte als Kind nicht
das Gefühl, dass er nicht präsent war, wenn er da war.“
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