Westdeutsche Zeitung: Herabstufung wäre schon viel früher fällig gewesen – Ein Weckruf für die USA Ein Kommentar von Peter De Thier

Die Entscheidung der Ratingagentur S&P, die
Topbonität der USA herabzustufen, ist nicht nur berechtigt, sie wäre
viel früher fällig gewesen. Wenn ein Land mehr Schulden hat, als die
gesamte Wirtschaft an Waren und Dienstleistungen produziert, dann
sollte das für Gläubiger Grund zur Sorge sein. An diesem Indikator,
der Schuldenquote, gemessen, stehen die USA mit der Ausnahme
Griechenlands schlechter da als sämtliche Krisenstaaten der Eurozone.
Kaschiert wurden die Probleme bisher lediglich von der Schuldenkrise
in Europa sowie einem sakrosankten Grundsatz des globalen
Finanzsystems: Die USA sind der wichtigste Eckpfeiler des
Weltfinanzsystems. Dass amerikanische Staatsanleihen eine
bombensichere Anlage sind und der Dollar die Leitwährung bleibt, ist
nun keine Selbstverständlichkeit mehr.

Was bedeutet die Entscheidung für Europa? Die Nervosität an den
Finanzmärkten dürfte überall zunehmen. Auch spricht einiges dafür,
dass der Euro gegenüber dem Dollar zulegt. Zinssteigerungen, die den
Aufschwung bremsen, könnten ebenfalls eine Folge sein. So oder so
dürfen die hoch verschuldeten EU-Krisenstaaten sich nicht auf den
Lorbeeren ausruhen und müssen trotz der Probleme in den USA den
eingeschlagenen Sparkus unbeirrt fortsetzen.

In den USA hingegen sollte die Herabstufung sämtlichen Akteuren,
Anlegern und Politikern als Weckruf dienen: Amerika hat viel zu lange
über seine Verhältnisse gelebt. Ebenso wie Verbraucher, die ihren
Konsumrausch mit Plastikgeld finanzieren, haben Politiker die
Wirtschaft mit Schulden gestützt. Es begann unter George W. Bush mit
unbezahlbaren Kriegen in Afghanistan und Irak. Es ging weiter unter
Barack Obama, der mehr als eine Billion Dollar ausgab, um die
weltgrößte Volkswirtschaft aus der Rezession zu führen, aber immer
noch mit einer kränkelnden Konjunktur zu kämpfen hat. Nun sind
rabiate Sparmaßnahmen angesagt. Damit aber werden sich die USA, für
die Sparen ein Fremdwort ist, schwertun.

Leidtragender könnte Obama sein, der nun als erster Präsident in
der Geschichte über eine Wirtschaft wacht, deren Spitzenposition
bedenklich ins Wanken geraten ist. Für seine Chancen auf eine
Wiederwahl im kommenden Jahr verheißt das nichts Gutes.

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