Zwölf Jahre nach dem Start des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes holt die Ökostromlobby das soziale
Gewissen ein. Es hat sie nie gejuckt, dass kleine Rentnerinnen die
Solardächer besser verdienender Nachbarn per Stromrechnung
subventionieren. Ausgerechnet die als Partei der sozialen Kälte
gescholtene FDP war es, die in früheren Jahren so ziemlich als
einzige Stimme immer wieder die soziale Staffelung zu Gunsten kleiner
Einkommen angemahnt hat. Erst jetzt fordert Renate Künast Sozialstrom
und jüngst entdeckte auch NRW-Umweltminister Johannes Remmel sein
Herz für kleine Verbraucher mit unbezahlten Stromrechnungen.
Scheinheilig, durchschaubar und zwölf Jahre zu spät fließen jetzt die
Krokodilstränen. Die Fehlentwicklung war seit langem absehbar.
Ideologische Verblendung hat denen jahrelang den Blick getrübt, die
erst jetzt erkennen, was alles aus dem Ruder läuft – und was mit der
schleppenden Energiewende noch droht. Pro Jahr muss 600 000 säumigen
Kunden von den Versorgern als allerletztes Mittel der Saft abgedreht
werden. Deshalb wollen die Grünen jetzt für jeden Privatabnehmer ein
Grundkontingent Gas und Strom zum Sonderpreis. Gut gemeint ist nicht
gut genug. Dieses Rennen kann der Staat, sprich der Steuerzahler
nicht gewinnen. Denn schon im kommenden Jahr steigt der Ökoaufschlag
von knapp 3,6 auf mehr als 5 Cent je Kilowattstunde – mit
ungebremster Tendenz nach oben. Ohne eine Reform – genauer:
Reduzierung – der Ökostromförderung geht es nicht. Volker Kauder hat
Recht, wenn er betont: »Strom muss nicht teurer werden, wenn wir die
Förderung der Solarenergie senken.« Dabei ist die Photovoltaik mit
Auszahlungen an die Anlagenbetreiber von sage und schreibe 8,8
Milliarden Euro in diesem Jahr nicht der einzige Ballast, den alle,
ob Großverbraucher oder Sozialschwache, zu tragen haben. Auch die
Verwertung von Biomasse (4,8 Milliarden Euro) und Windkraftanlagen
(4,2 Milliarden) heimsten erkleckliche Beträge ein. Das ist der heute
schon fällige Preis für die Energiewende. Künftig wird es noch
teurer. Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, wann die in Umfragen
gemessene noch bestehende breite Mehrheit für den schnellen
Atomausstieg fällt. Der Tag, an dem Atomkraft wieder ein Thema wird,
kommt – nicht nur weil das Menetekel von Fukushima verblasst, sondern
auch weil die Energiewende bei der aktuellen Förderstruktur jedem
Bürger tiefer und tiefer in die Tasche greift. Der Vorschlag, die
Fördersätze für Erneuerbare Energien pro Jahr um fünf Prozent zu
senken, liegt auf dem Tisch. Wer das große Ziel der Energiewende und
des Klimaschutzes wirklich will, sollte deshalb nicht aufheulen,
sondern dafür sorgen, dass der Bürger nicht überstrapaziert wird.
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