Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur NRW-Landtagswahl

Das war er also, der Turbowahlkampf in
Nordrhein-Westfalen: kurz ganz sicher, aber leider viel zu selten
knackig. Die einen konnten offenbar nicht anders, die anderen mussten
es nicht. So fand die SPD sogar Zeit, »Currywurst« zu sein.
Politischer Diskurs im Tiefflug. Die CDU scheiterte unterdessen auf
atemberaubende Weise mit dem Versuch, die Schulden und das Sparen zu
dem zu machen, was sie hätten sein müssen – die alles entscheidenden
Wahlkampfthemen. SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte die
Lunte mit ihrer »vorsorgenden Finanzpolitik« selbst gelegt, aber
CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen konnte sie einfach nicht zünden.
Das lag zuerst an ihm, wohl aber auch daran, dass auch wir
Nordrhein-Westfalen lieber anderen Spartipps geben als selbst zu
sparen. Symptomatisch und zugleich dramatisch: Röttgen und der Wähler
fanden in diesem Wahlkampf nur selten zusammen. Der
Bundesumweltminister und CDU-Landesvorsitzende brachte das Kunststück
fertig, als Herausforderer permanent in der Defensive zu sein. Erst
der Stolperstart mit der Diskussion um die Frage, ob er womöglich nur
auf Stippvisite in Düsseldorf ist. Und im Endspurt diese Woche gleich
zwei Aussagen, die gefährlich breiten Raum für Interpretationen
ließen. Kanzlerin Angela Merkel und die halbe Bundes-CDU erzürnt und
die Wähler kräftig gescholten – mehr Debakel im Vorfeld geht kaum.
Man darf gespannt sein, was all das für das Ergebnis der CDU und für
die Karriere von Norbert Röttgen bedeutet. Gar um Sein oder Nichtsein
geht es für FDP, Piraten und Linkspartei. Im politischen
Überlebenskampf hatten die Liberalen zuletzt wieder deutlich bessere
Karten. Christian Lindner will nun fortführen, was Wolfgang Kubicki
vergangene Woche in Schleswig-Holstein begonnen hat. Auch die Piraten
haben den Trend auf ihrer Seite, während die Linkspartei ihn bis
zuletzt zu brechen versucht. Und die bisherigen Koalitionspartner?
SPD und Grüne haben voll auf Rot-Grün gesetzt, Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft lehnt jedoch eine abermalige Minderheitsregierung ab.
Andere Machtoptionen wie die Große Koalition gibt es, sie kämen aber
allesamt gefühlt einer Niederlage gleich. Erreicht die 51-jährige
Mülheimerin jedoch ihr Ziel, ist sie die Strahlefrau der SPD. Fürs
Erste zumindest ständen die drei sozialdemokratischen
Kanzlerkandidatenkandidaten im Schatten der Kümmerin, die in den
vergangenen Wochen das Bild der warmherzigen Landesmutter wie keine
Zweite kultiviert hat. Nicht ausgeschlossen auch, dass dann trotz
Krafts Ablehnung abermals die Debatte darüber entbrennt, ob der beste
Kandidat für das Duell mit Angela Merkel nicht doch eine Kandidatin
ist – sie selbst. Sonntagabend wissen wir mehr. Zuvor jedoch sollten
Sie es mit unserem neuen Bundespräsidenten halten. Wie sagte Joachim
Gauck doch so treffend in seiner Antrittsrede: »Ich werde niemals
eine Wahl versäumen.«

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