Ägypten sitzt auf einem Pulverfass, bei
Straßenschlachten sterben täglich Demonstranten, das Land steht am
Abgrund – und Präsident Mursi nimmt sich einen Tag Zeit für einen
Staatsbesuch in Deutschland. Das zeigt zweierlei: Mursi ist sich
seiner Sache offenbar sehr sicher. Angst vor einem Umsturz hat er
nicht. Und er braucht Deutschland. Als Fürsprecher auf
internationaler Bühne und als Geldgeber. Selbstverständlich hat
Kanzlerin Merkel ihren Gast aufgefordert, die Menschenrechte zu
wahren und die Religionsfreiheit zu garantieren. Was soll sie auch
anderes sagen? Und selbstverständlich hat Mursi erklärt, sein Land
sei auf dem Weg zum Rechtsstaat. Die Bilder aus Ägypten sprechen
indes eine andere Sprache. Zwischen den politischen Kräften wächst
die Feindschaft, Religionsgruppen stehen sich unversöhnlich
gegenüber. Mursi regiert mit harter Hand, sein Umgang mit der
Verfassung offenbart eine eigenartige Auffassung von Demokratie,
Gerichte sprechen die Todesstrafe inflationär aus. Der Westen ist
ungeduldig. Wir neigen dazu, andere Länder mit unserer Vorstellung
von einem gerechten Staat zu überfordern. Ägypten braucht Zeit. Aber
Mursis Besuch bietet leider keinen Anlass zum Optimismus.
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