Westfalenpost: Seehofers Masterplan

Aylan Kurdi wurde nur drei Jahre alt. Er starb am 2.
September 2015 vor der türkischen Küste. Das Foto, das den
ertrunkenen Flüchtlingsjungen aus Syrien tot am Strand von Bodrum
zeigt, erschütterte die Welt. Er lag im Sand, als würde er schlafen.
Im Westen löste das Bild eine Welle der Anteilnahme aus. Wo ist unser
Mitgefühl hin? Horst Seehofers Masterplan ist ein Dokument der
Abschottung. Der CSU-Politiker will die illegale Zuwanderung stoppen,
wohl wissend, dass ein Asylbewerber aus Syrien derzeit fast keine
realistische Chance hat, legal in unser Land zu kommen. Sein Plan
schreit aus jeder Zeile: „Wir wollen euch nicht!“ Die Strategie des
Innenministers legt den Schwerpunkt des Ressourcen-Einsatzes auf die
Grenzsicherung, mehr Sanktionen gegen Flüchtlinge und die völlig
ungeklärte Kooperationsbereitschaft nordafrikanischer Länder, die auf
ihrem Staatsgebiet „Ausschiffungsplattformen“ (also Lager) zulassen
sollen. Seehofer hat Recht: Zuwanderung braucht Ordnung. Ebenso aber
braucht eine Gesellschaft einen gemeinsamen Wertekanon, ein Fundament
aus Humanität. Das steht auf dem Spiel, weil immer mehr Bürger
fürchten, dass die schiere Zahl der Flüchtlinge das System sprengt,
weil Integration schwierig ist, weil eine unbekannte Zahl von
Migranten kein Interesse an ihr hat und weil es auch kriminelle
Zuwanderer gibt. Aber: Die meisten Flüchtlinge verlassen ihr Land,
weil sie auf der Suche nach einem besseren Leben sind. Das ist ihnen
nicht zu verübeln. In Thailand haben Taucher gestern die letzten vier
Kinder und ihren Trainer aus der Höhle gerettet. Die Welt atmete auf;
die Jungen konnten sich unseres Mitgefühls sicher sein. Sie wollten
schließlich nicht nach Deutschland. Ist das zynisch? Mag sein. Die
Politik des Westens ist es auch. Die kalten Herzen übernehmen die
Macht.

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