Südwest Presse: Kommentar zur FDP

Was die FDP-Spitze vorführt, gleicht der „Reise nach
Jerusalem“, dem Laufen um einen Stuhlkreis. Nur die Regeln haben die
Liberalen abgewandelt. Bei jeder Runde steht nicht ein Sitz weniger
da, wie im Kinderspiel, sondern genauso viele wie Teilnehmer. Alle
Spitzenleute besetzen daher auch künftig einen Posten, nur nicht mehr
alle ihren Wunschplatz. Personell haben sich die Liberalen nach ihren
grundstürzenden Wahlschlappen nicht erneuert. Rainer Brüderle, als
Wirtschaftsminister farblos, wird als Fraktionschef kaum das Profil
der Partei schärfen. Er ist fest eingebunden in die Abreden mit der
Unionsfraktion. Philipp Rösler übernimmt dessen Ministeramt, das
gewiss leichter zu bewältigen ist als das Gesundheitsressort. Es
dürfte auch mehr hübsche öffentliche Auftritte bieten. Doch
politisches Gewicht bringt das Amt nicht auf die Waage. Daniel Bahr,
Röslers Nachfolger, hätte schon als Staatssekretär liberale
Duftmarken setzen können. Stattdessen hat er mit dem designierten
Parteichef dem Gesundheitswesen mehr Bürokratie beschert, die noch
undurchsichtigere Beschlüsse fasst, etwa beim Zusatzbeitrag für
Kassenversicherte. Und was hat eigentlich der FDP-Parteitag am
Wochenende noch zu entscheiden? Er kann die ausgetragene
Personalrochade – eher ein störrisches Gesichtswahren – nur noch
durchwinken, sonst beschädigt er den neuen Vorsitzenden. Selbst
Röslers erste Stellvertreterin Birigt Homburger ist gesetzt. Rösler
ist kein personeller Neuanfang geglückt. Und inhaltlich? Mehr
Aufstiegschancen wollen die Liberalen durchsetzen. Das stand neben
vielen gescheiten Thesen schon in ihrem Freiburger Programm von 1971.

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