WAZ: Selbstdemontage – Kommentar von Christopher Onkelbach

Man darf ihn neuerdings ungestraft einen Lügner
nennen. Wulff-Witze haben Konjunktur, der Karneval wird ihn aus
Pappmaché durch die Straßen ziehen, in Talkshows wird seit Wochen aus
mehr oder minder berufenem Mund über ihn gerichtet. All das muss sich
ein Politiker selbstverständlich gefallen lassen, aber es geht nicht
um irgendwen. Es geht um den Bundespräsidenten. Die
staatsanwaltschaftliche Durchsuchung des Büros seines ehemaligen
Sprechers im Bundespräsidialamt ist nun ein weiteres kleines Element
der präsidialen Selbstdemontage. Das Ansehen des zuvor würdigen Amtes
leidet, je länger dieser unwürdige Prozess andauert. Schon setzt beim
Publikum eine gewisse Müdigkeit ein, gelangweilter Überdruss zerstört
zusehends den Glauben an die Autorität dieses wichtigen Amtes. Das
ist bedenklich, da es zugleich einen wichtigen Pfeiler unserer
Demokratie schwächt. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass
Christian Wulff seine Amtspflichten nicht mehr erfüllen könnte. Doch
besteht das Amt aus mehr als nur rein formalen Aufgaben. Er scheidet
als Vorbild aus, als Verkörperung der Werte unseres Gemeinwesens. Das
sollte er endlich verstehen.

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