Österreich befindet sich im Wahlkampf: Untrügliches
Anzeichen dafür ist der anschwellende Bocksgesang der Politiker, der
wieder einmal das Niveau der Debattenkultur in diesem Lande
offenbart. Da setzt VP-Klubobmann Karlheinz Kopf Sozialdemokraten mit
„Dieben“ gleich, und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) keilt in
der Kronen Zeitung zurück: „Soll doch die ÖVP gleich sagen, dass sie
Neuwahlen will. Wir werden und können uns das nicht gefallen lassen.“
Rasche Neuwahlen – das hätte die SPÖ gern, will aber die ÖVP nicht –
beide mit Blick auf ihre Umfragewerte.
SPÖ-Klubobmann Josef Cap wiederum spricht von einer
„Kriminalisierung“, wenn „einzelne Oppositionsabgeordnete den
Bundeskanzler dort vorführen wollen“. Mit dort ist der
parlamentarische Untersuchungsausschuss gemeint. Es zeugt von einem
merkwürdigen (Selbst-)Verständnis eines Volksvertreters, wenn die
Ladung vor ein Gremium des Parlaments gleich eine Kriminalisierung
darstellt. Warum soll ein Kanzler nicht aussagen, wenn er nichts zu
verbergen hat?
Die SPÖ ist eine Allianz mit ÖVP, FPÖ und BZÖ eingegangen, mit dem
Ziel, den Untersuchungsausschuss abzudrehen. Die SPÖ will ihren
Kanzlerparteichef schützen, ÖVP, FPÖ und BZÖ wollen, dass nicht noch
mehr Skandale aus der Zeit von Schwarz-Blau an die Öffentlichkeit
kommen. Mit von der Parteien-Partie sind die Boulevardmedien: „Die
Werner-Faymann-Inserate aus dem Jahre Schnee interessieren heute kein
Schwein mehr“, meint Krone-Briefschreiber Michael Jeannée. Und
Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner bezeichnet
Ausschussvorsitzende Gabriela Moser als „völlig überforderte
Grün-Oma“ – die übrigens das gleiche Geburtsjahr wie Fellner hat.
Ausschussvorsitzende Moser hat Fehler gemacht – vielleicht nicht
juristisch, politisch auf jeden Fall. Mosers Vorsitzführung bot den
willkommenen Anlass für die anderen Parteien, ihr Ziel, den Ausschuss
rasch einzustellen, zu erreichen. Dass die Grünen gleich eine Anzeige
gegen Cap und Kopf wegen Verleumdung stellen, zeigt: Auch sie sind
auf Wahlkampf eingestellt und suchen die Eskalation.
Die Grünen wollen sich Moser nicht herausschießen lassen – aus
verständlichen Gründen. Aber auch sie müssen sich die Frage stellen:
Geht es ihnen um die Sache, also die Fortführung des
Untersuchungsausschusses? Wenn eine andere Politikerin oder ein
Politiker ihrer Partei den Vorsitz – möglicherweise auch abwechselnd
mit Moser – übernimmt und die Aufklärungsarbeit damit fortgesetzt
werden kann, würde das nicht den Austausch rechtfertigen? Damit wären
die Bekenntnisse von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ, es ernst zu nehmen mit
der Korruptionsbekämpfung, als hohle Phrasen entlarvt. Jeder muss
sich bewegen, auch die Grünen.
Denn wird der Untersuchungsausschuss tatsächlich eingestellt, dann
diskreditieren sich die Politiker in Österreich – und zwar aller
Parteien – vollends. Dann ist für alle offensichtlich, dass der
Wahlkampf und taktische Spielchen wichtiger sind und die
Gewaltenteilung in Österreich nicht ernst genommen wird. Dass sich
ein Regierungschef Fragen der Parlamentarier stellt, sollte in einer
Demokratie ein Akt der Selbstverständlichkeit sein. Dass dann just
dieser Kanzler versichert, er werde einer Ladung folgen – aber er und
seine Berater genau das verhindern -, ist Wählerverhöhnung.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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