Kaum ist der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU
geschlossen, kommt man schon ins Grübeln: Ist es so klug gewesen, was
die beiden Parteien zu später Stunde – und wie man hört – bei
reichlich Rotwein in der Nacht zum vergangenen Mittwoch beschlossen
haben? Wissenschaft, so die nächtliche Entscheidung, soll gemeinsam
mit dem großen Bereich Bildung von einem Senatsmitglied verantwortet
werden, der Bereich Forschung – bislang auch in dieser
Senatsverwaltung angesiedelt – wird nun herausgelöst und zum Ressort
Wirtschaft/Technologie gegeben. Die Universitäten laufen seitdem
Sturm gegen diese Trennung von Wissenschaft und Forschung, auch am
Freitag wieder. Nicht ganz zu Unrecht. Wissenschaft und Forschung
haben eng miteinander zu tun, in den Universitäten, an den
Zukunftsorten Adlershof und Buch, bald auch in Tegel. Die politische
und administrative Verantwortung für diese beiden Bereiche jetzt zu
trennen erschwert zunächst einmal das Leben in den Hochschulen und
Forschungseinrichtungen, denn damit gibt es sehr viel mehr
Ansprechpartner, der bürokratische Aufwand wird sich schlagartig
erhöhen. Es wäre wohl sinnvoller gewesen, Wissenschaft inklusive
Forschung beim Bildungsressort zu belassen oder aber mal etwas Neues
zu wagen und Wissenschaft inklusive Forschung mit Wirtschaft zu einem
Ressort zusammenzufassen. Nichts spricht dagegen, Bildung –
einschließlich der Bereiche Kita und Jugend – mal wieder einem
Senator allein zu überlassen, der sich dann ganz auf die Probleme in
den Schulen konzentrieren kann. Und schließlich ist da noch die
Charité, Deutschlands größtes Universitätsklinikum, ein Leuchtturm
für Berlin. Weil es zum Schluss der Koalitionsverhandlungen
offensichtlich nur noch darum ging, wer kriegt was, ist bislang
unklar, wer für die Charité verantwortlich ist. Die CDU sagt „wir“,
denn zum Bereich Forschung zählt laut Verwaltungsorganigramm auch die
„Hochschulmedizin“. Die SPD sieht das ganz anders, zur Wissenschaft
gehörten schließlich auch die Universitäten und damit das
Universitätsklinikum Charité, heißt es. Nun soll nachverhandelt
werden, aber schon jetzt ist klar, dass die Charité dabei zum
Verlierer werden könnte. Erinnern wir uns: Die SPD, allen voran
Finanzsenator Ulrich Nußbaum, würde den bundesweit anerkannten
Charité-Vorstandsvorsitzenden Karl Max Einhäupl am liebsten sofort
loswerden. Die CDU dagegen schätzt Einhäupls Arbeit und hat jetzt
auch mit Unterstützung von Bundeswissenschaftsministerin Annette
Schavan (CDU) die Perspektive für die Charité, nämlich den Verbund
mit dem Max-Delbrück-Centrum, durchgesetzt. Nach den vielen
Diskussionen über die Universitätsmedizin in Berlin, über deren drei
Standorte, über mögliche Kooperationen mit dem anderen großen
Berliner Klinikkonzern Vivantes wünscht man sich jetzt endlich klare
Strukturen für die Charité. Doch das hat die neue Koalition verpasst:
Nun werden wieder ganz viele Senatsmitglieder mitreden und über den
Aufsichtsrat ihre unterschiedlichen Meinungen zur Charité in die
Charité tragen. Es sieht so aus, als ob SPD und CDU eine Chance
verpasst haben.
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