Sie würden gerne fremd gehen, trauen sich aber nicht.
Diesen Eindruck vermitteln die beiden Partner in der österreichischen
Bundesregierung. Die SPÖ liebäugelt mit den Grünen, die ÖVP hofiert
die FPÖ. Der Juniorpartner in der Regierung zeigt damit, so offen
wie seit Jahren nicht mehr, dass die ÖVP für eine Neuauflage von
Schwarz-Blau zu haben ist – auch mit Heinz-Christian Strache.
Dass sich Strache wie ein Politrambo aufführt und ein für das
Regieren nötiges Verantwortungsgefühl vermissen lässt, scheint der
VP-Spitze egal. Parteichef Michael Spindelegger hat sich bereits
vorführen lassen: Die FPÖ hat ihre angebliche Zusage, die Forderung
nach einer Volksabstimmung fallenzulassen, dementiert.
Trotz dieser Blamage hat Klubchef Karlheinz Kopf am Freitag weitere
Verhandlungen mit der FPÖ damit begründet, dass ansonsten nur die
Grünen mit ihrer Forderung nach einer Vermögenssteuer blieben, um die
Zweidrittelmehrheit für die Absicherung der Schuldenbremse in der
Verfassung zu bekommen. Obwohl es in der eigenen Partei eine
Her-mit-dem-Zaster-Bewegung gibt, will die VP-Spitze lieber mit
Rechtspopulisten paktieren, um Vermögende nicht stärker zur Kasse
bitten zu müssen.
Die Grünen kamen wiederum der SPÖ gerade recht, um im Doppelpack das
zu erreichen, was den Sozialdemokraten im Alleingang nicht gelungen
ist: bei der ÖVP eine Vermögenssteuer durchzusetzen. Die ÖVP scheut
bisher davor zurück, die Forderung der FPÖ nach einer Volksabstimmung
zu übernehmen. Sie könnte damit Kanzler Werner Faymann in Zugzwang
bringen, der einst in seinem berühmten Brief an die Kronen Zeitung
eine Volksabstimmung versprochen hat.
Aufgewertet dürfen sich beide Oppositionsparteien fühlen: Die FPÖ
kommt aus dem Schmuddeleck, die Grünen haben ein Druckmittel, das sie
nicht aus der Hand geben werden. Nur das BZÖ, das sich kurz als
Helfer in der Koalitionsnot gerierte, hat sich ins Aus manövriert,
bleibt aber in War_teposition.
Dabei hatten sich Kanzler und Vizekanzler vor einem Monat noch in
trauter Zweisamkeit via Fernsehen verkündet, dass die Schuldenbremse
kommen müsse und sie gemeinsam das Projekt Sparpaket angehen. Sie
waren sogar so mutig, die Landeshauptleute nicht vorab zu
informieren. Diese haben inzwischen durchgesetzt, dass sie das
Haushaltsrecht des Bundes nicht übernehmen müssen. Es wird auch keine
solidarische Haftung zwischen den Bundesländern geben.
Auch andere Interessengruppierungen haben Druck auf die ihr jeweils
_nahestehende Partei gemacht, sodass von einem gemeinsamen Sparwillen
in der Koalition kaum mehr etwas zu erkennen ist. Es scheint doch ein
Steuer- und kein Sparpaket zu werden.
Dabei hatte es in den vergangenen Tagen sehr wohl Annäherungen
zwischen den Koalitionspartnern gegeben: in der Frage der
Finanzierung der Hochschulen etwa – über die zugesagte Milliarde
hinaus gab es Bewegung bei den Studiengebühren. Geeinigt hat sich die
Koalition auch auf ein Rehabilitierungsgesetz für die Opfer des
Austrofaschismus.
Hätten SPÖ und ÖVP eine stabile Partnerschaft und wäre es ihnen
tatsächlich um die Sache gegangen, hätten sie ein gemeinsames Angebot
an die Opposition formulieren können. Wie es derzeit aussieht, wird
die Schuldenbremse zu einer Koalitionsbremse – es droht erneut
Stillstand.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom