Mittelbayerische Zeitung: Israel hat Freundschaft verdient / Die Kritik am Staat der Juden verkennt dessenÄngste und Leistungen. Beistand ist nicht nur historische Pflicht, sondern auch nützlich für alle. Von Claudia Bockholt

Eine seiner ersten Auslandsreisen führte Heiko
Maas nach Israel. Der neue Außenminister, der wegen Auschwitz in die
Politik gegangen ist, bemüht sich, eine schwärende Verletzung zu
heilen. Sein Genosse Sigmar Gabriel hatte sie dem Land vor einigen
Jahren mit seinem Satz, Israel sei ein „Apartheid-Regime“, zugefügt.
Besonders warm war deshalb der Empfang für Maas beim Festakt der
Berliner Botschaft zur Feier der Staatsgründung Israels vor 70
Jahren. Jede diplomatische Geste, die die Loyalität Deutschlands
unterstreicht, ist dringend nötig. In einer Zeit, in der Israel den
Aufmarsch iranischer Truppen im nahen Syrien mit berechtigter Sorge
verfolgt und in der Juden in Deutschland auf offener Straße – wieder!
– mit antisemitischen Attacken rechnen müssen, ist Beistand geboten.
Israel ist keine Theokratie, aber auch kein säkularer Staat. Dieses
besondere Selbstverständnis will so mancher in Deutschland nicht
begreifen. Daraus resultiert der Glaube, man könne trennen zwischen
Kritik an der israelischen Politik und dem tatsächlichen Judenhass.
Selbst in Deutschland ist zu hören, der Antisemitismus von Muslimen,
der in Berlin mehrfach öffentlich und in beschämender Gewalttätigkeit
zutage trat, sei ja politischer Natur und richte sich gegen den
Staat, nicht gegen die Menschen. Diese Relativierung missachtet die
Tatsache, dass die Politik Israels auch nur aus der Shoa und aus der
über Jahrtausende währenden Verfolgung und Unterdrückung des Volkes
der Juden verstehbar ist. „Wir stehen allein. Wenn es ernst wird,
haben wir keine Verbündeten“: Das ist der Stachel, der tief im
Fleisch dieser Nation steckt. So war es auch, als die
Nationalsozialisten sich anschickten, den Juden in aller Welt den
Garaus zu machen. Es waren Einzelne, die halfen. Keine ganze Nation,
keine Regierung stand den Verfolgten uneingeschränkt zur Seite. Diese
Erfahrung ist in der DNA der Juden verankert. Nur wer nicht begreifen
mag, was es bedeutet, dass ein Drittel des eigenen Volkes ermordet
wurde, dass es kaum eine Familie gibt, in die der Holocaust keine
schmerzlichen Lücken gerissen hat – nur der möge den Juden
übertriebene Empfindlichkeit vorwerfen. Israel braucht Freunde.
Deutschland darf nicht zögern, sich immer wieder zu seiner besonderen
Verpflichtung zu bekennen. Freundschaften bewähren sich insbesondere
dann, wenn der andere angegriffen wird und selbst, wenn er Fehler
macht. Israels Siedlungspolitik verstößt gegen Völkerrecht, das ist
kaum umstritten. Doch die Vereinten Nationen sind keineswegs
neutraler Wächter. Rund die Hälfte aller verurteilenden Resolutionen
betrifft Israel, oft genug betrieben von Staaten, die dem Land das
Existenzrecht absprechen. Kein Wunder, dass Israel sich als
bevorzugtes Ziel der Weltgemeinschaft fühlt. Heiko Maas hat schon
kurz nach seiner Ernennung ein wichtiges Signal gesendet. Und mit ihm
erwiesen am Donnerstagabend in Berlin auch der Bundespräsident, sein
Amtsvorgänger Horst Köhler, die Justizministerin und viele andere
hochrangige Politiker dem kleinen Land, kaum größer als Hessen, ihre
Reverenz. Israel hat viel geschafft. Es hat sich zu einer lebens- und
liebenswerten Demokratie entwickelt, der einzigen funktionierenden in
weitem Umkreis. Es hat keine Bodenschätze, doch es hat innovative
Köpfe. Das Land ist eine der bedeutendsten Startup-Nationen. Von so
viel jungem Erfindergeist profitiert dank zahlreicher Kooperationen
nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft. Es gibt also tatsächlich auch
etwas zu feiern im deutsch-israelischen Verhältnis. Yehuda Bauer, der
ehemalige Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, hat einen
feinsinnigen, klugen Satz gesagt: „Es kann nicht gut werden, nur
besser“. Masel tov, Israel!

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