Mittelbayerische Zeitung: Löst endlich den Knoten! / Beim Digitalpakt für die Schulen steht viel auf dem Spiel. Doch Bund und Länder können sich nicht über die wichtigen Details einigen. Verlierer ist die junge Generation.

Der Föderalismus, der die Entwicklung der
Bundesrepublik seit sieben Jahrzehnten maßgeblich geprägt hat, ist
mittlerweile eher zu einem Misstrauens-Föderalismus mutiert. Die
einen, im Fall des Digitalpakts die Bundesländer, trauen den anderen,
Bundesregierung und Bundestag, nicht über den Weg. Der Streit um
stolze fünf Milliarden Euro aus der Bundeskasse für digitale Bildung
in den Schulen, für moderne Tablets, Laptops, leistungsfähiges WLAN
in den Klassenzimmern hat schon beinahe groteske Formen angenommen.
Nun soll der Vermittlungsausschuss von beiden Seiten versuchen, den
verworrenen Knoten doch noch aufzulösen. Es ist höchste Zeit dafür.
Käme der Digitalpakt nämlich nicht zustande, wäre die junge
Generation der Verlierer. Und der sorgsam gehegte Föderalismus hätte
sich bis auf die Knochen blamiert. Ob es nun wirklich einer
Grundgesetzänderung bedarf oder ob dasselbe Ziel nicht auch mit
verbindlichen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern erreicht
werden kann – wie etwa beim Hochschulpakt – muss in Ruhe und ohne
Misstrauen geklärt werden. Dabei sind sich Bund und Länder im Ziel
des Paktes grundsätzlich ja völlig einig. Es muss viel mehr in die
digitale Bildung investiert werden. Andere Länder, etwa die
baltischen Staaten, haben das föderal-betuliche Deutschland in dieser
Hinsicht bereits weit abgehängt. Ein Knackpunkt in dem seltsamen
innerdeutschen Streit ist, dass viele Bundesländer, allen voran der
weiß-blaue Freistaat und sein Ministerpräsident Markus Söder, hinter
der Offerte aus Berlin einen bösen Trick vermuten: Über den
Digitalpakt wolle sich der Bund in die Schulhoheit der Länder
einmischen. Wir wollen keine Einheitsschule aus Berlin, ruft der
CSU-Chef aus, so, als befände er sich noch im Wahlkampfmodus. Die
Befürchtung aus Bayern, aber auch aus Baden-Württemberg und anderen
Ländern, ist indes an den Haaren herbeigezogen. Der Bund, zumal eine
unionsgeführte Regierung, will den Ländern keineswegs das Recht
beschneiden, über die Schulpolitik selbst zu bestimmen. Auch nicht
durch die Hintertür Digitalpakt. Die Sorge, die in München, Stuttgart
und anderswo umtreibt, ist doch vielmehr, dass der Bund
deutschlandweit einheitliche Bildungsinhalte vorgibt – und damit das
hohe Niveau des bayerischen Schulsystems nach unten ziehen könnte.
Wenn es solche Bedenken gibt, dann sollte Berlin sie ernst nehmen und
Garantien erbringen, dass genau dies nicht geschehen wird. Auf einem
ganz anderen Blatt steht freilich, dass der Bund, der immerhin viel
Steuergeld für einen guten Zweck an die Länder geben will, nicht
einfach nur zahlen darf und das war–s dann. Verlässliche Maßstäbe und
ein Mindestmaß an Kontrolle, dass die beträchtlichen Gelder aus der
Bundeskasse in den einzelnen Bundesländern auch dem Zweck
entsprechend eingesetzt werden, braucht es schon. Ein unrühmliches
Beispiel waren die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau, die
einige Länder „freihändig“ für alles Mögliche einsetzten, nur nicht
für die Errichtung neuer Wohnungen. Die Milliarden des Digitalpakts
dürfen nicht irgendwo „versickern“. Freilich ist auch der Bund kein
weißer Ritter. Trickreich hat er nämlich die Länder dazu verdonnert,
bei künftigen Investitionen in die Bildung jeweils die Hälfte des
Geldes obendrauf zu legen. Diese 50:50-Regelung mag für finanzstarke
Länder wie Bayern allemal zu stemmen sein. Schwächere Länder hingegen
könnten mit dieser Vorgabe nur schwer leben. Sie müssten bei weiteren
Programmen des Bundes wahrscheinlich passen. Die Niveauunterschiede
in den Bildungssystemen der Länder würden damit zementiert, nicht
überwunden. Doch das war nicht der Grundgedanke des Föderalismus.

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