Auf einem Pulverfass
Zum ersten Mal seit Ende der Diktatur 1999 ist Nigeria von
exzessiver Gewalt bei Parlaments- und Präsidentenwahlen verschont
geblieben. Afrikas bevölkerungsreichster Staat hat einen ersten
zaghaften Schritt in Richtung friedliche Demokratie unternommen.
Wie brüchig die Angelegenheit bleibt, zeigen die Ausschreitungen
im muslimisch geprägten Norden. Aber auch im christlichen Süden, vor
allem im Niger-Delta, sieht es nicht besser aus. Dort geben Rebellen
der MEND-Bewegung den Ton an, Entführungen sind eine ständige Gefahr.
Durch Lecks und Öldiebstahl spielt sich in der Region jeden Tag eine
verheerende Umweltkatastrophe ab, die in der Welt kaum wahrgenommen
wird. Dass in mehreren Bundesstaaten im Norden noch das islamische
Recht der Scharia angewandt wird, trägt zusätzlich zur Spaltung
Nigerias bei.
Der neue Präsident Goodluck Jonathan braucht mehr als Glück, um
den Vielvölkerstaat zu befrieden. Die vor dem Zoologen liegenden
Aufgaben erfordern beinahe übermenschliche Kräfte: Nigeria müsste
eigentlich das Kraftwerk des Kontinents sein, immerhin ist es der
weltweit sechstgrößte Erdölproduzent. Dennoch fällt regelmäßig die
Stromversorgung aus. Mehr als die Hälfte der rund 150 Millionen
Einwohner leben von weniger als 1,40 Euro pro Tag. Das ist ein
Nährboden für Korruption, die das Land von innen zerfrisst. Goodluck
Jonathan sitzt auf einem Pulverfass. Es kann jederzeit explodieren.
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