WAZ: Verpasste Chance des Kandidaten. Kommentar von Miguel Sanches

Von Angela Merkel weiß man am besten, was sie
verhindern will: Einen Schuldenschnitt, Euro-Bonds, ein drittes
Hilfspaket für Griechenland. Ihre Regierung ist in der EU keine
Gestaltungsmacht. Sie ist eher eine Verhinderungsmacht. Auch deshalb
konnten sich die EU-Finanzminister nicht auf neue Hilfen einigen. Sie
werden den Griechen nur so viel Zinsen und Kredit geben, dass sie bis
2014 über die Runden kommen. Jede großzügigere Lösung würde Merkel
abnötigen, Wortbruch zu begehen. Es wird sich aber die Frage stellen,
ob die Zinserleichterungen und die Freigabe höherer Mittel für
Griechenland nicht schon verkappte Transferleistungen sind. Wer wie
Merkel so viel Isolation in Europa erträgt, handelt nicht nur aus
innenpolitischer Opportunität, sondern auch aus Überzeugung: Die
Griechen sollen gesunden, indem sie ihre Volkswirtschaft reformieren.
Sie statuiert ein Exempel; für andere Südländer. Aus Merkels Sicht
muss man sich einen Schuldenschnitt durch Reformen verdienen. Für die
meisten Europäer – und daheim die SPD – wird umgekehrt ein Schuh
daraus: Man hilft solidarisch, damit die Griechen auf die Beine
kommen, andere Staaten nicht anstecken. Steinbrück sieht das Risiko,
dass sich eine Rezession von Griechenland über Spanien und Frankreich
bis nach Deutschland frisst. Aber er traut sich nicht, den Streit
über das Krisenmanagement ins Zentrum seiner Kampagne zu stellen. Er
hat gestern im Bundestag die Chance verstreichen lassen.

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