WAZ: Zuspruch statt Ziffern. Kommentar von Tobias Blasius

Droht der Einzug einer lebensfremden
Kuschelpädagogik ins nordrhein-westfälische Bildungssystem, wenn
Grundschulen ab sofort bis zur dritten Klasse auf Ziffernnoten im
Zeugnis verzichten können? Nein, vielmehr legen Lehrer und Eltern
künftig in der Schulkonferenz gemeinsam fest, an welchen Standorten
es sinnvoll erscheint, Achtjährige noch eine Weile mit Notendruck zu
verschonen. Es ist kein Rezept für das ganze Land, aber in Zeiten des
großen Bildungsstresses selbst für die Kleinsten zumindest keine
schlechte Option. In ausführlicheren Kommentaren auf dem Zeugnis
können Lehrer etwa bei Kindern mit Migrationshintergrund oder
Entwicklungsrückstand sehr viel differenzierter Lernfortschritt und
Defizite beschreiben, als es eine frustrierend nackte Ziffer vermag.
Das erste Noten-Zeugnis in der vierten Klasse ist dann zwar bereits
das entscheidende für die Bewerbung an einer weiterführenden Schule,
aber warum sollte das frühzeitige Einüben eines abstrakten
Bewertungssystems den Lernerfolg fördern? Man muss kein
Waldorf-Pädagoge sein, um die neue Möglichkeit einer
Leistungsbewertung ohne Ziffernnoten als Bereicherung zu empfinden.

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