Selten war ein Literaturnobelpreis so
unangebracht wie der für den chinesischen Dichter und Linienschreiber
Mo Yan. Wer Zensur für zulässig, in China gar für notwendig hält, dem
gebührt keine Ehre. Wer nicht einmal leise Kritik an der Inhaftierung
eines Kollegen zu leisten bereit ist, dem kann Verachtung nicht
erspart bleiben. Das Nobelpreiskomitee hat mit seiner Auswahl einen
schweren Fehler gemacht. Am kommenden Montag muss die Akademie der
Wissenschaften ihren Fehlgriff selbst ausbaden. Wenn die Welt auf die
Feierstunde in der Schwedischen Akademie durch den König blickt,
werden sich die Juroren irgendwie erklären müssen – hochnotpeinlich.
Des öfteren haben Verleihungen zu Diskussionen geführt. Ein Beispiel
ist die Vergabe des Friedensnobelpreises an US-Präsident Barack
Obama, bevor der überhaupt Friedenspolitik beweisen konnte. Auch darf
man geteilter Meinung sein darüber, ob die Europäische Union eine
Friedensorganisation ist. Aber noch nie war die Verleihung eines
Literaturnobelpreises in seiner politischen Wirkung so katastrophal
wie 2012.
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