Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Weihnachten

»Papa, warum glauben wir eigentlich an den
lieben Gott, wenn er zulässt, dass es soviel Leid auf dieser Welt
gibt? In Afrika sterben Kinder, weil sie zu wenig zu essen haben, und
beim Amoklauf werden unschuldige Mädchen und Jungen getötet. Das kann
Gott doch nicht gut finden!«

Wer Kinder hat, kennt diese Fragen. Auch ich hatte spontan keine
Antwort parat. Ich habe meinem Sohn gesagt, dass ich es auch nicht
richtig finde, wenn Kinder bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen,
Menschen sich gegenseitig quälen, es Krieg, Hungersnöte und Erdbeben
auf dieser Welt gibt. Ich habe ihm aber versucht zu erklären, dass
jeder Mensch die Möglichkeit hat, seinen Beitrag zu leisten und
mitzuhelfen, dass die Welt und das Miteinander der Menschen ein wenig
besser wird. Der liebe Gott kann die Welt nicht besser machen, wir
müssen es schon selbst tun. Das ist unser Auftrag.

Es mag schwierig sein, Gottes Liebe zu sehen. Vor allem für
Kinder, während gleichzeitig so viel Schlimmes passiert.
Unwillkürlich entwickeln sie ihre eigene Vorstellung von Gott. Und
wenn Gott diesen Erwartungen entspricht, hat er gute Karten. Wenn
aber nicht, wenden sich Kinder oft enttäuscht von ihm ab.

Die Ansicht auch vieler Erwachsener, Gott müsse das Leid in dieser
Welt beenden, basiert auf einer verkehrten Denkweise. Wir glauben
manchmal: »Gott wäre uns etwas schuldig«. Doch das Gegenteil ist der
Fall. Wir sind ihm etwas schuldig – und zwar, seinem Wort zu folgen.
Weihnachten ist eine besondere Zeit. Eine Zeit, die unser Herz und
unsere Gefühle anspricht. Es gibt Fragen wie die unserer Kinder, auf
die auch wir Erwachsene manchmal keine Antwort haben. Und leider
können wir Dinge, die passieren, nicht verhindern. Aber manches
können wir ändern – auch wenn es sich nur um vermeintliche
Kleinigkeiten, um die täglichen Dinge des Lebens handelt.

In seiner Weihnachtsansprache ruft Bundespräsident Joachim Gauck
zu mehr Miteinander, Mut und Zivilcourage auf. Er mahnt, dass die
Gesellschaft es nicht zulassen dürfe, dass die Schere zwischen Arm
und Reich immer weiter auseinander geht. Und wir müssen verhindern,
dass die Gewalt – nicht nur in U-Bahnhöfen und auf den Straßen –
immer mehr zunimmt.

Jeder kann seinen Beitrag leisten. Um die Herausforderungen zu
meistern, brauchen wir nicht nur tatkräftige Politiker, sondern auch
engagierte Bürger, die hinsehen statt in Gleichgültigkeit zu
verharren. Wir sehnen uns nach Frieden – aber jeder kann selbst ein
Friedensstifter sein, tagtäglich in seinem persönlichen Umfeld. Das
ist Gaucks Botschaft.

Weihnachten ist überall in der Welt eine besondere Zeit. Eine Zeit
der Besinnung. Weihnachten, das ist eine kleine Geschichte des
wahrhaft Größten, die zur größten Geschichte der Kleinen wird. Und
das macht die Faszination aus – bis heute.

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Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
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