Der Vorsitzende der Tafeln in Nordrhein-Westfalen
und Sozialwissenschaftler machen die wachsende Armut in Deutschland
für die Konflikte um die Essensausgabe für Bedürftige verantwortlich.
„Wir erleben einen Konkurrenzkampf der Bedürftigen“, sagte der
Bochumer Sozialwissenschaftler Klaus Peter Strohmeier der in Essen
erscheinenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ,
Samstagausgabe).
Der Vorsitzende der Tafeln in NRW wies die Kritik von
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Essener Tafel gegenüber
der WAT zurück. „Die Äußerungen sind nicht angebracht“, sagte
Wolfgang Weilerswist der WAZ. Die Tafel hatte mit der Entscheidung,
nur noch deutsche Bedürftige als Neukunden zuzulassen, für eine
bundesweite Debatte gesorgt. Merkel hatte das gerügt: „Da sollte man
nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut.“
Weilerswist konterte: Es sei richtig, dass sich die Tafeln vor
allem auf Rentner, Familien mit Kinder und Sozialhilfe-Empfänger
konzentrierten. Er sieht in dem Konflikt um die Essener Tafel ein
Versagen der deutschen Sozialpolitik. „Wir machen seit Jahren auf ein
wachsendes Armutsproblem aufmerksam. Doch auf die Warnungen wurde
nicht gehört.“ Die Tafeln könnten die Probleme nicht lösen, „das ist
Aufgabe der Politik.“ Weilerswist verweist dabei auf einen im
europäischen Vergleich sehr niedrigen Mindestlohn, zu knappes
Kindergeld sowie fehlenden preiswerten Wohnraum. Ein gestiegenes
Anspruchsdenken der Tafelkunden erkennt Weilerswist nicht: „Die
Mehrheit kommt aus Not. Man muss schon Hemmschwellen überwinden, um
sich in die Schlange zu stellen.“
Die Sozialpolitik habe „kläglich versagt“, sie vergesse die Armen,
ergänzt Sozialwissenschaftler Klaus Peter Strohmeier. Die staatliche
Grundsicherung ermögliche ein Leben nur knapp über dem
Existenzminimum. Wichtig sei es jetzt, die Mindestrente anzuheben
sowie die Dauerarbeitslosigkeit mit öffentlich geförderter Arbeit zu
bekämpfen.
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