neues deutschland: Kommentar zu neuen Entwicklungen im Fall Oury Jalloh: Noch lange nicht genug

Seit ein paar Monaten kommen immer wieder neue
Details über die Vertuschungsversuche im Fall Oury Jalloh an die
Öffentlichkeit. Sachsen-Anhalts Regierung steht unter Zugzwang. Nun
kündigte sie an, zwei Sonderermittler einzusetzen, um den Tod des vor
13 Jahren in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Flüchtlings zu
untersuchen. Beide gelten als unabhängige Experten. Ihr Erfolg wird
stark von dem offiziellen Arbeitsauftrag, ihren Befugnissen und der
Kontrolle wie Kooperationsbereitschaft manch mindestens unwilliger
Behörde abhängen.

Im besten Fall können die Ermittler zur Aufklärung beitragen. Doch
um einen der größten Polizeiskandale der deutschen Nachkriegszeit
aufzuarbeiten, ist mehr nötig. Die Generalstaatsanwaltschaft in
Sachsen-Anhalt hatte offenbar Abgeordnete angelogen, Akten zu
ungeklärten Todesfällen bei der Polizei wurden vernichtet. 13 Jahre
hielt man bis in höchste Kreise an der Selbstverbrennungsthese fest,
obwohl Gutachten seit Langem und nun auch ein Staatsanwalt dies in
Frage stellen.

Als klar wurde, dass die sächsischen Behörden unwillig oder
unfähig sind, den Naziterror der »Gruppe Freital« als solchen zu
erkennen, hatte die Generalbundesanwaltschaft das Verfahren an sich
gezogen – dieser Schritt ist längst im Fall Jalloh von Nöten. Ein
parlamentarischer Untersuchungsausschuss müsste sich zudem der
politischen Aufarbeitung des institutionellen Komplettversagens
widmen – und dem Rassismus. In Anbetracht der Widerstände keine
leichte Aufgabe.

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